1. LSBTI*-WISSENSCHAFTSKONGRESS

Bundesstiftung Magnus Hirschfeld bei facebook Bundesstiftung Magnus Hirschfeld bei twitter
Enrico Ippolito

„Ich interessiere mich für Ursachen von sozialer Diskriminierung“

Frau Dieckmann, der erste LSBTI*-Wissenschaftskongresses der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld deckt ein großes Feld von Themen ab, bewegt sich zwischen Politik und Recht, Geschichte und Psychologie, sozialen Bewegungen und Kultur, Kunst und Medien. Warum wurde dieser breite Ansatz gewählt?

Es ist der erste Wissenschaftskongress der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Der Kongress soll einen Einblick in die gesamte interdisziplinäre Bandbreite der LSBTI*-Forschung geben und nicht nur das. Ich bin stolz, dass wir es geschafft haben, einen Kongress zu organisieren, welcher tatsächlich LSBTI* widerspiegelt, dass er also lesbische, schwule, bisexuelle, Trans*- und Inter*-Themen beinhaltet. Auf dem Kongress wird über wichtige Forschungsansätze in den einzelnen Themenbereichen diskutiert werden. Wo steht die Forschung im Moment? Wohin soll bzw. muss die Forschung gehen? Dies sind alles wichtige Impulse für die Arbeit der Stiftung. Die Stiftung hat u.a. zur Aufgabe Forschung im LSBTI*-Bereich zu fördern. Sie möchte in Zukunft weitere Projekte in all diesen Themenbereichen fördern bzw. die Forschung durch stiftungseigene Projekte und Veranstaltungen vorantreiben. Die thematische Bandbreite ermöglicht auch eine Vernetzung der verschiedenen Themen, sowohl zwischen den interdisziplinären Expert_innen und Praktiker_innen, aber auch inhaltlich: Wie hängen soziale Bewegungsprozesse mit heutigen Diskriminierungserfahrungen von LSBTI* zusammen? Welche Rolle spielen die Bilder von LSBTI* bzw. die Entwürfe von Männlichkeit und Weiblichkeit in Kunst, Kultur, Politik, Recht, Medizin und Psychologie? Spannend finde ich als Diskriminierungsforscherin auch zu fragen, welche Faktoren beeinflussen auch innerhalb der „LSBTI*-Community“ den Umgang miteinander, Stichwort „Mehrfachdiskriminierung“.

Der Kongress war ziemlich schnell ausgebucht. Hatten Sie mit diesem starken Echo gerechnet?

Gerade aufgrund der großen Bandbreite der Themen haben wir uns keine Sorgen gemacht, dass der Kongress auf großes Interesse stößt. Von der Geschwindigkeit der Anmeldungen waren wir zugegebenermaßen positiv überrascht.

Sie selbst haben sich als Sozialpsychologin mit Themen wie Homophobie im Fußball und Coming Out in der Familie befasst. Wie sind Sie als Wissenschaftlerin auf den Themenbereich LSBTI* gekommen?

Ich interessiere mich für Intergruppenprozesse und für die Ursachen von sozialer Diskriminierung. Wieso verhalten sich Menschen anderen gegenüber negativ, nur weil diesen ein bestimmtes Merkmal XYZ zugeschrieben wird? In meiner Dissertation habe ich mich mit den Auswirkungen von sozialer Vielfalt auf die Akzeptanz von Minderheiten innerhalb von Gruppen beschäftigt. Ich habe untersucht, wann Vielfalt innerhalb von Gruppen positive Effekte hat, aber auch wann sie „bedrohlich“ für die die eigene soziale Identität sein kann. Durch meine „Vielfaltsforschung“ bin ich zum LSBTI*-Kontext gekommen. Ich habe mögliche Prozesse zur Entstehung von Homophobie im Kontext Männerfußball untersucht. Im Männerfußball besteht das Bild des sportlichen, erfolgsorientierten, heterosexuellen Mannes. Es ist spannend zu untersuchen, was passiert, wenn dieses in Frage gestellt wird. Den Fußballsport empfinde ich in diesem Zusammenhang als wichtigen Wertevermittler für unsere Gesellschaft.
Meine Arbeit zu den Umgangsweisen von Familienangehörigen mit einem späten Coming-outs in der Familie im Rahmen einer LSVD-Studie war unglaublich interessant, aber teilweise bedrückend. „Spät“ meint hier, ein Coming-out nach jahrelanger heterosexueller Beziehung/Ehe. Meine Forschungsarbeit hier hat mir noch einmal verdeutlicht, welche Auswirkungen Heteronormativität und der damit einhergehende Druck bis in die Wohnzimmer einer jeden Person haben kann, egal ob sie homo,- bi- oder heterosexuell lebt.

Was wünschen Sie sich für den LSBTI*-Wissenschaftskongress?

Ich wünsche mir die aktive Teilnahme aller Teilnehmer_innen vor allem an den „Reflexionsnachmittagen“; und als Ergebnis des Kongresses: Viele neue Forschungsideen und Kooperationsmöglichkeiten für die teilnehmenden Wissenschaftler_innen, viele neue Erkenntnisse und Gedankenanstöße für die Arbeit aller Teilnehmenden und einen organisatorisch reibungslosen Ablauf.


Dr. Janine Dieckmann ist wissenschaftliche Koordinatorin und Organisatorin des LSBTI*-Wissenschaftskongresses „Gleich-Geschlechtliche Erfahrungswelten“ der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Die Psychologin arbeitete zuletzt als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Sozialpsychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Als Forscherin befasste sie sich u.a. mit LSBTI*-Themen wie Homophobie im Fußball und späten Coming-outs in Familien.