1. LSBTI*-WISSENSCHAFTSKONGRESS

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Hans-H. Kotte

Prof. Dr. Jutta Hartmann

Antwort: So direkt trauen sich heute eher weniger Menschen diese Frage zu stellen als früher, doch ihre Implikationen sind nach wie vor wirksam. Eine Herausforderung in der Erfahrungswelt queerer Familien liegt darin, dass Elternschaft mehr oder weniger explizit immer wieder als heterosexuelles Geschlechterarrangement verstanden und eingefordert wird. Familien, in denen sich die oder ein Elternteil als lesbisch, schwul, bisexuell, trans* oder inter* versteht, stellen diese vermeintlich naturgegebenen Selbstverständlichkeiten der Lebensgestaltung in Frage. Viele ihrer Diskriminierungserfahrungen lassen sich auf die Wirkmächtigkeit der normativen Geschlechterdiskurse zurückführen. Tief im Alltagsdiskurs und auch in vielen Fachdiskursen verwurzelt ist die Annahme, jedes Kind benötige zur Entwicklung seiner Geschlechtsidentität sowohl eine gleich- als auch eine gegengeschlechtliche nahe Bezugsperson. Stellenweise ist dieses Gebot formuliert als Notwenigkeit eines weiblichen und eines männlichen Elternteils. Queere Eltern sind daher häufig mit der Unterstellung konfrontiert, sie könnten ihren Kindern nicht gerecht werden, ein notwendiger Part fehle, oder dieser müsse – das transportiert ja die gestellte Frage – durch Übernahme der überkommenen komplementären Rolle des vermeintlich fehlenden Parts durch ein Elternteil quasi ersetzt werden. Diese Sorge belastet queere Eltern häufig selbst. Die normativen Diskurse heterosexueller Zweigeschlechtlichkeit entfalten ihre Wirkkraft nicht nur als Erwartungen von außen, sondern durchaus auch innerhalb der Regenbogenfamilien. Sie erzeugen eine Ambivalenz inmitten der Familienmitglieder.