
„Ich weiß nicht, was ich bin“
„Ich habe nix mehr. Ich weiß nicht, was ich bin.“ Prof. Dr. Phil Langer von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main präsentiert das Interview mit dem HIV-positiven schwulen Mann Klaus. Klaus, der aus dem ländlichen Raum stammt und Anfang der 1970er Jahre jenseits der zweiten schwulen Emanzipationsbewegung seine Jugendzeit erlebte, berichtet in dem Gespräch von seinem eintönigen heutigen Alltagsleben. Zur Arbeit gehen und vor dem Fernseher hängen: „Ich ziehe mich manchmal an schönen Filmen hoch.“ Dabei wird deutlich, welchen negativen Bezug Klaus zu seiner Homosexualität hat. Dass er diese - wie Soziologe Phil Langer es ausdrückt - als „nicht öffentlich lebbar“ erfahren hat und erfährt. Klaus habe, so Langer, „kein affirmatives Verhältnis zur Sexualität“. Er begreift sich zudem als „Außenseiter“, kann mit dem offensiven Schwulsein der Gegenwart nichts anfangen und sagt von sich: „Ich bin kein typischer Vertreter. Ich rede sehr zweideutig. Ich trage es nicht auf der Stirn.“ Zu den psychischen Krisen kommt die physische Verwundbarkeit.
Vor dem Hintergrund biographischer Verläufe, gesellschaftlicher Veränderungen und subkultureller Entwicklungen interpretiert Phil Langer die Stigmatisierungserfahrungen der schwulen Männer. Die „Fall-Vignette“ Klaus zeige dabei einen Schwulen „in der inneren Emigration“, der weder in der Familie, noch in der schwulen Community oder im Berufsumfeld echten Halt finde. Der Fall Klaus sei zwar „ein Einzelfall, vielleicht ein Extremfall“, sagt Langer. Doch er steht auch für eine Generation von HIV-positiven schwulen Männern, die geprägt sind von Ängsten vor dem Verlust der sexuellen Attraktivität und der sozialen Anerkennung. Die mit einem Umfeld klarkommen müssen, welches ihre Infektion als „moralischen Makel“ begreift und ihnen möglicherweise auch eine angeblich fehlende „gesellschaftliche Nützlichkeit“ entgegenhält. Was wiederum Folgen für die Eigenwahrnehmung hat. Zudem drohe in den sozialen und medizinischen Institutionen Diskriminierung und mangelnde Unterstützung.
Interviews wie diese wertet Langer mit einem größeren Team aus, zu dem unter anderem der Gesundheitspsychologe Dr. Jochen Drewes von der Freien Universität Berlin gehört. Link zum „Forschungsprojekt 50plushiv - Eine Studie über das Älterwerden mit HIV/AIDS in Deutschland“: http://50plushiv.wordpress.com/