1. LSBTI*-WISSENSCHAFTSKONGRESS

Bundesstiftung Magnus Hirschfeld bei facebook Bundesstiftung Magnus Hirschfeld bei twitter
Steffi Unsleber

Eine Frage an ... Dr. Ursula Sillge

Antwort: Für die größere Vielfalt in der LSBTI*-Bewegung in der DDR gegenüber den anderen sozialistischen Ländern gab es mehrere Gründe: Die evangelische Kirche war eine Ausnahme unter den verschiedenen anderen christlichen Kirchen, indem sie Lesben und Schwulen eine Nische bzw. ein Podium bot.

Bei den dominierenden christlichen Kirchen der anderen sozialistischen Länder war das nicht möglich. Polen, CSSR, Ungarn waren weitgehend katholisch, die russischen Gebiete der Sowjetunion, Rumänien und Bulgarien orthodox.

Die gesellschaftliche Atmosphäre in der DDR war durch die FKK-Bewegung und Aufklärungsbücher wie das von Dr. Siegfried Schnabl aus Karl-Marx-Stadt schon aufgelockert und nicht mehr so verklemmt wie in den anderen sozialistischen Ländern.
In der DDR gab es keine Sprachbarriere zur BRD und damit ins westliche Ausland, sondern im Gegenteil verwandtschaftliche und persönliche Beziehungen.

Dadurch war es leichter, an Bücher und andere gedruckte Materialien zu kommen. Die Literatur konnte zwar auf der Leipziger Messe gelesen, aber nicht erworben werden. Sie wurde über abenteuerlichen Wegen und Partisanen-Methoden beschafft und unter der Hand weitergegeben.

Gruppen konnten sich in verschiedenen existierenden Bereichen bilden:
HIB (privat), Gruppen in der evangelischen Kirche, Sonntags-Club, von der Stasi als „Unabhängige“ bezeichnet, Gruppen in Jugendklubs und Kulturhäusern, Gruppen bei den Ehe- und Sexualberatungsstellen, Gruppen bei den Freidenkern.

Außerdem gab es inoffizielle Treffpunkte in der Gastronomie:
In Berlin-Ost circa sechs bis neun Einrichtungen, republikweit auch vereinzelt in größeren Städten, die hauptsächlich von Schwulen frequentiert wurden. Die Lesben nutzten eher die zeitweilige Möglichkeit über Briefwechsel-Anzeigen in der Presse, um Kontakte zu knüpfen.